Mit Musik ist es möglich, eine Vielzahl unterschiedlichster Stimmungen, Farben und Emotionen einzufangen. Nüchtern betrachtet zählen wir lediglich zwölf Ton-Namen, die physikalisch betrachtet durch Schwingung der Luft entstehen und deren Tonhöhen durch die Frequenz, der Luftschwingung pro Sekunde, festgelegt wird. Durch Anordnung dieser Frequenzen in einer Komposition, ist es möglich, Melodien, Harmonien und Rhythmen entstehen zu lassen. Nur unzureichend erklärbar ist jedoch, warum Musik eine solch anziehende Wirkung auf uns hat.
In einem Konzert im Bürgerhaus Senftenberg am 04.02. steht vor allem Musik für das Klavier im Vordergrund, die nicht zum Standartrepertoire zählt, daher selten zur Aufführung gelangt und durch ihre sinnliche und transzendente Atmosphäre auf besondere Art und Weise berührt und zu Herzen geht. Tim Preußker und Robin Gaede, die im Jahr zuvor bereits hier ein Konzert bestritten und die beide Kirchenmusik studieren bzw. studiert haben werden diesmal mit einem zusammengestellten Chor aus Kommilitonen und Freunden zusammen musizieren und so ein vielfältiges Programm darbieten.
Neben Kompositionen von Skrjabin und Chopin stehen das Thema mit Variationen (Geistervariationen) von Robert Schumann (1810-1856)
und das berühmte Soir sur la plaine (Abend über der Ebene) für Chor, Solo-Sopran, Solo-Tenor und Klavier der französischen Komponistin Lili Boulanger (1893-1918) im Zentrum. Beide Kompositionen sind grundverschieden. Was sie eint, ist die transzendente, übersinnliche Stimmung, die sie erzeugen.
Die Variationen komponierte Schumann in seinen letzten Lebensjahren, wenige Wochen vor seiner Einweisung in die Nervenheilanstalt in Endenich. In diesen Tagen wähnte er sich von Geistern umgeben, die ihm neben grässlicher Musik, auch die Melodie, die diesem Werk zu Grunde liegt, darboten. Während seiner Arbeit an der Niederschrift, stürzte er sich eines Abends nur halb bekleidet aus dem Haus und mit selbstmörderischer Absicht in den Rhein, aus dem er jedoch gerettet werden konnte. So ist diese Komposition ein besonderes Zeugnis von Schumanns Persönlichkeit und zeigt, dass er trotz seiner Krankheit zu hohen geistigen Leistungen fähig war. Der Klang dieser Musik ist trotz, oder gerade wegen des schlichten Themas, von großer Innigkeit, tiefer Traurigkeit und Melancholie. Johannes Brahms (1833-1897) komponierte im November 1861 seine vierhändigen Variationen op.23 über ebendieses Thema und widmete das Werk Roberts Tochter Julie, die zusammen mit ihrer Mutter Clara beim Spielen dieser Musik an die schicksalsschweren Stunden denken und gemeinsam mit ihr Trost finden soll. Auch diese Komposition wird im Konzert erklingen.
Die Musik von Soir sur la plaine fügt sich bestens in ein solches Konzert ein. Die Vertonung des vierstrophigen Gedichts des französischen Dichters und Symbolisten Albert Samain istwie ein tiefes Seufzen, welches über ein bloßes Bestaunen der abendlichen Ruhe hinausgeht.
Die Bilder des Gedichts malen eine abgründige und melancholische Stimmung, die durch die flirrenden und sphärischen Klänge des Chores und den weichen Tönen des Klaviers meisterhaft komponiert sind und so die Zuhörer in eine andere Welt eintauchen lassen. Die Musik enthält trotz ihrer Schönheit tiefe Seufzer, in denen sowohl Todesnähe als auch verzweifelte Sehnsucht nach dem Leben mitschwingt und schafft so jene impressionistisch klangstarke Atmosphäre, die der von Debussy in nichts nachsteht. 1913 reicht Lili dieses Werk als Bewerbungsstück für den Prix de Rome, dem wichtigsten Komponistenwettbewerb Frankreichs ein und wird diesen in den Wochen darauf auch gewinnen. In den letzten Zeilen besingt der Chor das stillstehende Herz des Tages, welches durch spätere Betrachtung auch für ihres steht, das zu früh aufhörte zu schlagen.
Seien Sie zu diesem Konzert herzlich eingeladen, welches sie aus der kalten Winterzeit entführen soll!
Der Eintritt ist frei, eine Kollekte am Ausgang wird erbeten.